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NEUFUNDLAND - EIN FELSEN IM ATLANTIK

'Drink a Screech, kiss a fish on the rock and your'll be a Newfie'. So lautet auch heute noch der Wahlspruch jedes echten Neufundländers. Genau zehn Jahre ist es jetzt her, dass wir diesen Felsen im Nordatlantik auf einer dreiwöchigen Tour per Mietwagen und Zelt zum ersten Mal erkundeten.

Neufundland war Neuland, war uns völlig unbekannt. In den einschlägigen Reiseführern findet man auch heute noch auf über 700 Seiten Ost-Kanada gerade einmal 16 Seiten über den "Felsen" wie die Einheimischen ihre Insel nennen.

Ankunft in Halifax.

Nach unserem Flug von Frankfurt nach Halifax, einer Hotelübernachtung im original-amerikanischen „Schaukelbett“ und einer Sonnenscheintour durch Nova Scotia kamen wir bei plötzlich einsetzendem Regen und absolut dichtem Nebel im Fährhafen von North-Sydney / Nova Scotia an. Die Wartezeit verkürzten wir uns mit unserem ersten Hummermenü. Fährpassage für unser Auto und uns zu Buchen war kein Problem. Nur Kabinen gab es nicht mehr. So blieb uns wie vielen anderen 'Newfies' nur ein unbequemer Schlafsessel auf dem Oberdeck. Von 23.00 -7.00 Uhr dauerte die Seefahrt.

Die Fähre von Nova Scotia nach Neufundland
Die Fähre von Nova Scotia nach Neufundland

Als wir im Hafen von Channel Port aux Basques in Neufundland von Bord rollten, lag die Landschaft in einer dicken Nebelsuppe. Eben Neufundlandwetter, dachte ich mir. Bereits ein paar Kilometer weiter konnte man die Sonne hinter den Bergen hervorkommen sehen. Der Nebel nahm zusehends ab und wir befanden uns in einer strahlend schönen Frühlingslandschaft.

Hummerfang auf der Port aux Port Peninsula

Von französischen Fischern aus der Bretagne wurde die „Port aux Port Peninsula“ einst gegründet. Auch heute noch ist Französisch in einigen Orten wie Lourdes die Sprache der Bevölkerung. Dort lernen die Kinder Englisch erst in der Schule. Im kleinen Hafen von Port aux Port sahen wir ein kleines Boot auf den Strand zufahren. Als wir an der Stelle ankamen, hatte der Fischer zusammen mit seiner Frau gerade begonnen, den Hummerfang des Tages zu verarbeiten. Penibel genau wurde der Abstand zwischen Hummerkopf und Schwanz vermessen. Ein Fischer, der zu kleine Tiere anbietet, verliert sofort seine Lizenz. Diese kostet rund 50.000 kanadische Dollars.

Nach einem netten Gespräch wollten wir uns natürlich auch so einen leckeren Hummer für unsere Campingküche mitnehmen. Wir hatten keine Chance zu bezahlen. Der Hummer war ein Geschenk.

Wiegen, messen und für gut befunden:
Wiegen, messen und für gut befunden: Neufundlandhummer werden nach dem Fang ganz genau unter die Lupe genommen.
Horst auf Hummerfang
Horst auf Hummerfang

Im winzigen, französisch sprechenden Fischerörtchen Petit Jardin wurden wir am Hafen eingeladen, mit einem offenen Fischerboot hinauszufahren, um die Hummerfallen zu kontrollieren. Eine Markierungsboje nach der anderen wird dabei angesteuert, die Hummerkörbe heraufgezogen. Schnell füllt sich der Sammelbehälter im Boot mit den Krustentieren. Die Hummerweibchen, die noch nicht abgelaicht haben, dürfen zurück ins Meer.

Später sitzen wir noch lange am Hafen in der Sonne und ich gönnte mir auf meinem Klappstuhl ein paar Seiten aus dem Neufundlandroman „Am Ende des Meeres“ von Bernice Morgan. Passt genau zur Stimmung. Und abends dann das erste Festmahl: Hummer satt aus der Campingküche!

Das Rezept ist übrigens ganz einfach:
Man nehme einen großen Topf mit frischem, sprudelnd kochendem Meerwasser und lasse den lebendigen Hummer kopfüber ins Wasser gleiten. Nach 20 Minuten ist die Delikatesse fertig. Schmeckt am besten pur mit Butterbrot.

Muschelzucht in Neufundland

Heute kamen wir zufällig an einer Muschelzuchtanlage vorbei. Der gesamte Fjord ist von Bojen bedeckt. Schnell stellte sich bei einem Besuch auf der Farm heraus, dass dies eine der größten Muschelproduktionsbetriebe in ganz Nordamerika ist.

Die Chefin und Besitzerin der Farm war unwahrscheinlich freundlich, führte uns überall herum und erklärte die Produktion. In riesigen Gaze-Schläuchen (sehen aus, wie die allseits bekannten TG-Schlauchverbände im Erste Hilfe Kasten), werden die Baby-Muscheln zwischen Bojen im Fjord kettenweise aufgehängt. Den Rest besorgt die nährstoffreiche Mischung aus kaltem Labradorstrom und warmen Golfstrom. Nach der Ernte müssen die Miesmuscheln nur noch gesäubert, entsandet und von Seepocken befreit werden. Dann gehen sie als Delikatesse in alle Welt.

Die Freundlichkeit der Menschen in Neufundland ist atemberaubend. Obwohl Mabel als Chefin des Unternehmens gerade palettenweise Muschelsäckchen für den US-Markt vorbereitete und die Qualitätskontrolle beaufsichtigte, bot sie uns freundlich an, schnell einen Topf voll Muscheln zum Probieren zu kochen. Sie ließ sich auch nicht davon abbringen, uns ein Superior-Säckchen Muscheln (das sind die ganz Großen!) auf Eis und neufundländische Muschelrezepte für unser Abendbrot mitzugeben. Wie gut, dass wir bereits einen großen Topf bei Canadian Tire besorgt hatten!

Richtung L'Anse aux Meadows

Immer noch strahlender Sonnenschein und hochsommerliche Temperaturen. Als wir den Gros Morne Nationalpark Richtung Norden passieren, spürt man allerdings schon die Nähe des kalten Labradorstroms. In den kleinen Fischerhäfen am rund 500 Kilometer langen Viking-Trail Richtung L’Anse aux Meadows stauen sich immer mehr Eisberge und Eisfelder. Dazu geben die berühmt-berüchtigten neufundländischen Seenebelfelder die Kulisse für außergewöhnliche Fotoserien.

Richtig bekannt wurden die treibenden Eisberge vor Neufundlands Küsten erst nach dem tragischen Untergang der RMS Titanic im Jahr 1914. Alle Eisberge, die die Ostküste Neufundlands erreichen, stammen von Gletschern in Grönland.

Treibende Eisberge
Treibende Eisberge

Grönlands Gletscher produzieren im Jahr durchschnittlich 40.000 Eisberge von denen viele den kalten Labradorstrom entlang bis in die Nähe Neufundlands treiben. Diese Eis-Kolosse sind dann typischerweise hundert tausende Tonnen schwer. Während die Dichte des Eises von Eisbergen etwa 900 Kilo pro Kubikmeter beträgt, hat Meerwasser eine Dichte von über 1000 Kilo. Somit treiben Eisberge mit 85 – 90 Prozent (rund 7/8) ihrer Eismasse unter Wasser. Das macht sie für die Schifffahrt so gefährlich.

Wie kommen die Eisberge von Grönland nach Neufundland?

Wie die kanadische Eiswacht mitteilt, kamen im vergangenen Jahr rund 2200 Eisberge mit der Strömung von Grönland zur neufundländischen Küste. Dabei werden nur die Eisberge statistisch erfasst, die mindestens 30 Meter hoch sind. Die spektakulären Eisriesen, von denen die größten bis zu 80 Meter hoch sind und ein Gewicht von mehreren Millionen Tonnen haben, brechen hauptsächlich von Südwest- und Westgrönlands Eiskappe ab und treiben dann mit der Meeresströmung von März bis Juli an den Küsten Labradors und Neufundlands entlang.

Iceberg-Alley

In manchen Jahren sind rund 1000 Eisberge, die sogar die mehrjährige Reise bis in die warmen Gewässer des Golfstroms schaffen. Besonders gut kann man die Eisberge in Neufundland bei den Orten Twillingate, Fleur de Lys und in Musgrave Habour beobachten. Die Neufundländer nennen diesen Küstenabschnitt auch „Iceberg Alley“.

Iceberg-Alley
Iceberg-Alley

Elche, Elche und nochmals Elche

Und dann die Elche. In Lappland haben wir vor einigen Jahren einmal eine ganze Woche damit verbracht, Elche vor die Kamera zu bekommen. Außer einem einzigen Elch von hinten war das Unternehmen eine einzige Pleite. Und hier im Norden Neufundlands? So schnell kann man gar nicht gucken, wie man Elche sehen und fotografieren kann. Besonders die Jungelche vom vergangenen Jahr, die jetzt von ihren Müttern verscheucht werden, weiden direkt an der Straße und zeigen auch wenig Respekt vor den Menschen und Autos.

Obwohl an allen Highways mühevoll auf jeder Seite ein zehn Meter breiter Streifen von Buschwerk freigehalten wird, kommt es immer wieder vor, dass die Tiere plötzlich über die Fahrbahn laufen. Überall an den neufundländischen Straßen sind ernst zu nehmende Schilder mit Elchwarnungen aufgestellt. Im vergangenen Jahr kam es zu 660 Zusammenstößen mit Personenschaden. Trotzdem sind diese ungelenk wirkenden aber trotzdem sehr flinken Tundra- und Taigaläufer ein interessantes Fotomotiv. Immer wieder teste ich ihre Fluchtdistanz – manchmal ziehe ich es auch vor, im Laufschritt das Auto aufzusuchen.

Wikinger in L'Anse aux Meadows

L’Anse aux Meadows ist in Nordamerika der einzige historisch belegte Platz einer Wikingersiedlung. Ihre relativ großen, solide gebauten Holzboote ermöglichten es ihnen, sich entlang der nördlichen Breitengrade quer über den Atlantik von Insel zu Insel zu wagen.

L'Anse aux Meadows
L'Anse aux Meadows
Helge und Anne Ingstad
Helge und Anne Ingstad

Hier haben die Wikinger also von Grönland aus kommend, das amerikanische Festland erreicht und eine Siedlung errichtet. Helge Ingstad, ein norwegischer Rechtsanwalt und Forscher, hatte schon jahrelang im atlantischen Kanada nach Hinweisen auf das sagenhafte Vinland gesucht, das in vielen Wikingersagas beschrieben wird. Als er 1960 in L’Anse aux Meadows auf den Einheimischen George Decker traf und dieser ihm von uralten Ruinen am Strand erzählte, hoffte er, endlich die Spuren der Nordmänner zu entdecken. Und richtig. Zusammen mit seiner Frau Anne Stine konnte er in siebenjähriger Ausgrabungsarbeit den nordeuropäischen Ursprung der Ruinen bestätigen. So fanden sie eine bronzene Nadel als Teil einer Spindel sowie Fragmente von eisernen Nägeln und Nieten, die eindeutig den Wikingern zugeordnet werden konnten. Nicht Columbus hat also Amerika entdeckt, sondern die Wikinger! Die UNESCO erkannte 1978 die große Bedeutung dieses Ortes an und erklärte L’Anse aux Meadows zum Weltkulturerbe.

Eisberge vor der Haustür
Eisberge vor der Haustür

Direkt neben der Ausgrabungsstätte, die man im Originalzustand besichtigen kann, hat man ein Haus der Nordmänner und mehrere Arbeitsgebäude wie Schmiede und Webstube rekonstruiert. Sagenhaft. Und das Ambiente stimmt. Wie in Grönland, Island und Norwegen siedelten die Nordmänner in einer flach ansteigenden Bucht, wo sie ihre Langschiffe gut auf den Strand setzen konnten. Ein tolles Panorama bot sich uns. Sonnenschein, allerdings nur Temperaturen um den Gefrierpunkt, scharfer Wind und in der Bucht an der Ausgrabungsstätte stauten sich die Eisberge, die ja auch heute noch die gleiche Meeresströmung nutzen, mit der Leif Eriksson von Grönland nach Neufundland segelte.

Sommer im Norden Neufundlands
Sommer im Norden Neufundlands

Freundliche Ranger im Pistolet-Nationalpark

Unser Lager schlugen wir anschließend im Pistolet-Nationalpark auf. Ein herrliches Waldgebiet ist als weitläufiger Campingplatz hergerichtet worden. Großzügige Camp-Flächen, Feuerstelle, sowie Bank und Tisch gehört zu jedem Stellplatz. Auch heiße Duschen und behindertengerechte Sanitäranlagen sind hier vorhanden. Und das Ganze kostet für zwei Personen umgerechnet zehn Euro!!! Zwei nette Ranger beantworteten alle unsere Fragen mit Engelsgeduld. Dazu die enorme Hilfsbereitschaft. Da die beiden nicht wussten, warum in Neufundland so viele Schwarz- und Balsamfichten abgestorben sind, telefonierten sie sofort mit dem nächstliegenden Forstamt. Ein Mitarbeiter kam 30 Minuten später bei uns an (wir hatten gerade begonnen unser Zelt aufzubauen) und erklärte uns die Problematik (saurer Regen durch Zelluloseverarbeitung - Schädigung der Fichten-Befall durch Käfer oder Bakterien). Zum Schluss schenkte er mir noch sein eigenes Bestimmungsbuch der neufundländischen Flora und Fauna. Natürlich hatte er außerdem ein Bündel trockenes Feuerholz für uns mitgebracht - das ist Neufundland.

Abgestorbene Bäume im Norden
Abgestorbene Bäume im Norden

Wo Kontinente zusammenstoßen

Tablelands
Tablelands

Im Gros Morne Nationalpark besteht durch geologische Besonderheiten die Möglichkeit, eine Zeitreise in die Entstehungsgeschichte unserer Erde zu unternehmen. Auf beiden Seiten erheben sich steil die Bergketten und offenbaren die Erdgeschichte. Von Millionen Jahren alten Tiefengesteinen, die man nur hier an dieser Stelle an der Erdoberfläche findet, bis hin zu uralten Vulkankratern sind die tektonischen Strukturen von 300 Millionen Jahren Erdgeschichte zu sehen.

Diese „Tablelands südlich von Bonne Bay sind deswegen auch zum Weltkulturerbe erklärt worden. Per Boot geht es in die unberührte Wildnis auf dem Trout River Pond. Und das bei herrlichem Sonnenschein und freundlichen Temperaturen. Abends haben wir am Ende der Welt – in dem kleinen Ort Howley – am See einen netten Campingplatz gefunden. Wieder klasse Sanitäranlagen, die man in der Wildnis gar nicht erwartet. Da kann sich so mancher deutsche Campingplatz eine Scheibe abschneiden. Leider kamen auch die Moskitos. Riesenbrummer, die über unser Autan lachten. Die Kanadier raten übrigens davon ab, im Moskitoland Bananen zu essen. Die Ausdünstungen sollen die kleinen Biester unwiderstehlich anziehen.